Als Trainierende/r fragt man sich oft, was denn die optimalste Trainingsfrequenz darstellt. Wie oft und in welchem Abstand soll ich trainieren? Bei dieser Frage wird sehr häufig das Prinzip der Superkompensation als Erklärung herangezogen.
Oft wird oft behauptet, dass es nach dem Training zu einer Leistungseinbusse kommt und diese innerhalb von ca. 48h über das Ursprungslevel hinaus „schiesst“. Dies wird als Superkompensation bezeichnet (siehe Abb. 1).
Aufgrund dieser Annahme wird oft empfohlen immer einen Tag Pause zwischen den Trainingseinheiten einzulegen, aber im Idealfall auch nie länger als zwei Tage Pause zu machen.
(siehe 1. Abbildung unten: Vereinfachte Darstellung von der Vorstellung der Superkompensation)
Nach dem Prinzip der Superkompensation ist der Zeitpunkt, bei dem die nächste Belastung gesetzt wird essentiell und bestimmt, in welche Richtung die Leistungskurve verläuft. Je nach Zeitpunkt steigt sie an, bleibt gleich oder sinkt ab. Im letzteren Fall ist es ein Fehltraining.
Das Modell der Superkompensation gibt es seit den 70er Jahren und wird noch heute sehr häufig in der Trainingsplanung vor allem wegen seiner Einfachheit angewendet. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse vor allem auf dem Gebiet der biologischen Anpassung wird die Superkompensation immer mehr von vielen Seiten kritisiert.
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KRTITIK AM SUPERKOMPENSATIONSMODELL
Ich möchte euch damit einen Überblick geben, welche Aspekte beim Superkompensationsmodell kritisiert werden:
Ich möchte euch damit einen Überblick geben, welche Aspekte beim Superkompensationsmodell kritisiert werden:
1. Keine Altersdifferenzierung
Es ist bekannt, dass der Organismus eines Erwachsenen eine sportliche Belastung anders verarbeitet als derjenige eines Kindes.
2 . Keine geschlechtsspezifischen Unterschiede
Da wäre zum Beispiel der unterschiedliche Hormonhaushalt zu nennen, welcher bei der Anpassung einen grossen Einfluss hat.
3. Kein Unterschied Trainierter/Untrainierter
Gleiche Belastung bewirkt bei einem Untrainierten eine viel grössere Beanspruchung.
4. Nichtberücksichtigung der genetischen Anlage
Trainigswirksamkeit einer Belastung wird stark von den Genen beeinflusst.
5. Neuronale Anpassung wird nicht berücksichtigt
Vor allem bei Anfängern und neuen Bewegungsabläufen spielt die neuronale Anpassung eine essentielle Rolle.
6. Anpassungsprozesse können nicht endlos fortgesetzt werden
Der Prozess der Anpassung verläuft nicht linear immer gleich weiter.
7. Nicht jede Belastung führt zu einer Ermüdung:
Bei Belastungen mit niedrigen Intensitäten – wie z.B dem Aufwärmen – kommt es zu Auslenkungen, die für die Leistung positiv sind und nicht als Ermüdung bewertet bzw. bezeichnet werden können.
8. Negierung sportmedizinischer Erkenntnisse (z.b Laktatabbau)
Der Laktatabbau läuft schneller ab, wenn auf eine intensive Belastung eine weitere Belastung mit niedriger Intensität folgt. Diese Belastung bewirkt also keine weitere Ermüdung sondern eine schnellere Erholung.
9. Volumen und Intensität bestimmen zusammen mit dem Trainingszustand wie viel Stress durch eine Belastung auf den Körper einwirkt (Beanspruchung)
Eine Trainingseinheit ist nicht gleich eine Trainingseinheit. Je mehr Volumen und je mehr Intensität, desto höher der Stress, der auf den Körper einwirkt und desto mehr Zeit wird zur Erholung benötigt.
BIOCHEMISCHE PROZESSE LAUFEN IM ORGANISMUS NICHT LINEAR AB
Folgende Darstellung zur Reiz- Reaktionsbeziehung zwischen Organismus und Umwelt zeigt, dass Trainingsanpassungen keiner linearen Reiz-Reaktions-Beziehung folgen (Abb 2.). Diese biochemischen Prozesse im menschlichen Körper sind viel komplexer. Deshalb können sie auch nicht durch ein lineares Modell beschrieben und erklärt werden.
(Siehe 2. Abbildung unten: Die Signale werden in der Zelle nicht linear weitergegeben, sondern breiten sich in sehr komplexen Signalnetzwerken aus.)
Ausser der Beschreibung des Glykogens (Kohlenhydratspeicher) im Tier- und Humanversusch gibt es zur Zeit keine zuverlässigen Studien, die eine Superkompensation belegen. Denn das Muskelprotein, die Mitochondrien oder die Kapillaren (Blutgefässe), sowie andere Funktionsgrössen gehen durch die Belastung nicht zurück. Nach Ausdauerbelastungen kommt es im Rahmen der Ermüdung zu einem mehrere Tage anhaltenden Überschwingen mehrerer Funktionssysteme, welche sehr unterschiedliche Zeitverläufe und Ausmasse der Auslenkung aufweisen (Abb.3).
(Siehe 3. Abbildung unten: Der Verlauf, wie er bei einer Superkompensation beschrieben wird, konnte nur für Glykogen nachgewiesen werden. Die vielen anderen Systeme weisen ganz andere Verläufe auf. Hier das Beispiel nach einem Ausdauertraining.)
Wie diese beiden Abbildungen (Abb. 2 und Abb. 3) aufzeigen, sind die biologischen Anpassungsprozesse viel komplexer wie es im Superkompensationsmodell postuliert wird.
Die Einfachheit dieses Modells sollte jedoch nicht dessen Legitimation darstellen.
Wie bereits erwähnt, können bei den Anpassungsprozessen massive interindividuelle Unterschiede vorherrschen.
Obwohl einfach umsetzbare Faustregeln sehr gerne gehört werden, können diese unter Umständen für eine Person sehr geeignet sein und für eine andere Person überhaupt nicht.
PRAKTISCHER RATSCHLAG
Auch wenn das Superkompensationsmodell in diesem Beitrag kritisch betrachtet wurde, ist es trotzdem so, dass 3-4 Trainingseinheiten pro Woche für einen Hobby-Sportler/eine Hobby-Sportlerin einen guten Richtwert darstellen, der angestrebt werden kann. Jedoch muss individuell eruiert werden wie, wie viel wirklich sinnvoll ist. Es kann sein, dass für jemanden drei Trainings pro Woche optimal sind und für eine andere Person fünf Trainings. Sogar wenn sie den gleichen Fitnessstand haben. Doch wie bestimme ich welche Trainingsfrequenz gut für mich ist?
Da die Anpassungsprozesse so individuell unterschiedlich sind, ist das eigene Körpergefühl immer noch das beste Mittel zu bestimmen, wann der richtige Zeitpunkt für das nächste Training ist.
Auch wenn sich das jetzt sehr unwissenschaftlich anhört, ist es ganz besonders für einen Hobby-Sportler/eine Hobby-Sportlerin der beste Anhaltspunkt. Der Zustand des Körpers wird auch neben dem Training noch durch viele andere Faktoren (wie zum Beispiel Stress) beeinflusst, dass der tatsächliche Zustand fast nur durch das eigene Körpergefühl sinnvoll eingeschätzt werden kann. Und nicht durch irgendwelche Blut- oder Hormonwerte oder durch irgendein Modell.